Arbeitswelt | Lesedauer: 6 min | aktualisiert am 25. November 2024
Zielgruppe: Karrierehungrige Student:innen
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#1 Du bist nicht allein!
Die Gründe für einen sogenannten “Dropout” sind vielfältig. Oft hegen Betroffene falsche Erwartungen an ihr Studium und informieren sich im Vorfeld zu wenig über das, was tatsächlich gelehrt wird.
Das kann gleichermaßen zu Unter-, wie auch zu Überforderung führen. Außerdem ist es völlig normal, dass sich die Interessen von jungen Menschen von im Laufe ihrer Entwicklung ändern. Wer übt schließlich heute den Beruf aus, den er oder sie mit 14 im Auge hatte? Oftmals platzt der Traum aber auch durch äußerliche Gegebenheiten wie eine zu hohe finanzielle Belastung oder die Gründung einer Familie.
Festzuhalten ist: Die Gründe für einen Abbruch des Studiums sind genauso zahlreiche wie die Studis, die diesen Schritt wagen: 2017 brachen 36% der in Österreich Studierenden ihr Bachelor-Studium nach spätestens 14 Semestern ab.
Falls dich das Gefühl überkommen sollte, versagt zu haben, sei dir also bewusst: mehr als jede dritte Person ergeht es an österreichischen Unis genauso wie dir.
Keine Angst vor Lücken im Lebenslauf
Diese Zahlen sind sich auch Arbeitgeber:innen und Recruiter:innen bewusst. Die gefürchtete “Lücke im Lebenslauf” sorgt in der Regel also nicht direkt dafür, dich in einem schlechteren Licht zu betrachten, weil sie unter vielen Lücken kaum auffällt.
In den USA gilt ein Studienabbruch nicht einmal als Ausnahme, sondern als Regel: 54% der Studierenden brechen dort ihr Studium wieder ab. Bewirbst du dich also nicht gerade an Harvard oder bei der NASA, wird ein einzelner Abbruch in den seltensten Fällen dafür sorgen, dich aus dem Bewerbungsverfahren auszuschließen. Du wirst mit hoher Wahrscheinlichkeit Personaler:innen oder gar CEOs gegenübersitzen, die einst die gleiche unangenehme Entscheidung treffen mussten wie du.
#2 Lieber früh als spät und lieber spät als nie
Ein guter Weg, um mit dem Abbruch deines Studiums umzugehen: betrachte diesen Schritt nicht als Misserfolg, sondern als Chance.
Ein Abbruch muss nicht heißen, dass du zu faul oder zu untalentiert bist. Vielmehr fußt dieser Schritt auf der Erkenntnis, dass das belegte Fach einfach nicht zu dir passt und du dich deshalb anderweitig umschauen musst. Wenn du früh genug den Mut hast, deinem Bauchgefühl zu folgen, bist du vielen in Sachen Selbstwahrnehmung und Konsequenz voraus.
Andere warten etliche Semester oder schließen sogar das Studium ab, ohne Warnsignale wie Langeweile oder Desinteresse richtig zu deuten. Weitere merken erst später im Berufsleben, dass der Job, in den sie bis zu einem Jahrzehnt Schweiß und Hirnschmalz investiert haben, nicht für sie geschaffen ist und haben dann umso weniger Perspektiven für eine Umorientierung.
Wir übertreiben nicht: ein rechtzeitiger Studienwechsel kann dich in manchen Fällen davor schützen, ein unerfülltes und unglückliches Leben zu führen. Immerhin nimmt die Arbeit einen bedeutenden Teil deines Lebens.
Ein paar Semester für ein Studium zu vergeuden, solltest du daher eher in Kauf nehmen als einen Job, der dich dein Lebtag unglücklich macht. Viele ältere Leidengenoss:innen beneiden dich wahrscheinlich um deine frühe Einsicht:
Ein Abbruch kann also auch ein Privileg sein!
Außerdem kann dich der Schritt vom Campus weg hin zu einer Lehre führen, die deine wahren Talente zum Vorschein bringt. Da das Studieren auch in Österreich immer beliebter wird, geraten klassische Lehrberufe wie das Handwerk oder die Soziale Arbeit auch in Österreich zunehmend in Vergessenheit.
Wenn dich gerade das mühselige Pauken auf Prüfungen genervt hat, wirst du eher zu einer zweiten Chance in diesen Berufen sehen, die oft viele Perspektiven und Sicherheit bieten. Für viele, die ihr Studium abgeschlossen haben, bleibt diese Tür ewig verschlossen, weil sie mit voranschreitendem Alter nicht mehr die Muße und Freiheit haben, sich mit einem Lehrlingsgehalt zufrieden zu geben.
#3 An der Uni ticken Uhren langsam
Da ein Bachelor-Studium heute bereits zum Standard unter Maturant:innen geworden ist und somit immer seltener für Jobs qualifiziert, ist es mittlerweile üblich, noch einen Master- oder Doktorabschluss anzuhängen.
Die Studienzeit verlängert sich dadurch maßgeblich. Hinzu kommt, dass Studierende oft nebenher arbeiten müssen und ihr Studium damit nicht selten weitaus später abschließen als die Regelstudienzeit vorsieht:
- Bachelor: 3 Jahre
- Master: 2 Jahre
- Doktorat: 3 Jahre
Insgesamt führt das dazu, dass der oder die Durchschnittsstudierende in Österreich bereits stolze 27 Jahre alt ist. Der Eintritt ins Berufsleben verschiebt sich also kontinuierlich nach hinten.
Wenn du keinen Abschluss hast, bist du gegenüber Bachelorabsolvent:innen natürlich ein wenig im Nachteil. Da gerade dieser Bildungsgrad aber immer mehr zur Regel wird und somit in Lebensläufen nicht selten überflogen wird, kannst du dich heute leichter unter die Akademiker:innen schummeln als früher.
Das kann mit ein wenig Glück gar das Interesse bei Recruiter:innen wecken - immerhin zeigen solche sich nicht selten neugierig, wenn jemand gegen den Strom schwimmt und sich nicht für die gleichen Karten auf der Hand entschieden hat wie alle anderen.
#4 Auf die Praxis kommt es an
Es gibt Berufssparten, bei denen das Studium der einzige Weg ist, um in der Branche Fuß zu fassen - nur ein Abschluss gewährt dir dann den Zutritt zu deinem Traumjob. Zu diesen Bereichen zählt in erster Linie die Medizin oder das Rechtswesen sowie weitere Studien, die mit viel Prestige und hohem Leistungsdruck verbunden sind. In vielen anderen Sparten nimmt das Studium allerdings nur einen zweitrangigen oder gar unwesentlichen Status für das weitere Berufsleben ein und ist nicht mit einem bestimmten Werdegang verknüpft. Zieht es dich zum Beispiel in den Medienbereich oder unter die Kunstschaffenden, wird es kaum ein Studium geben, das dir einen Platz an der Sonne garantiert.
Gerade in der Kreativindustrie ist ein Abschluss “Nice to have”, aber kein “Must Have”.
In diesen Branchen fragen dich Personaler:innen vielmehr nach der Arbeitserfahrung, die bereits gesammelt hast. Ein frühzeitiger Abgang von der Uni kann dir hier sogar einen entscheidenden Vorteil verschaffen: während andere noch dabei sind, für Prüfungen zu pauken, kannst du dich bereits in einem renommierten Büro bekannt machen und wichtige Praxiserfahrung sammeln, die deine Konkurrenz im Hörsaal erst Jahre später machen wird.
In der Kulturbranche können drei Monate Praktikum bei einem renommierten Verlag oder einer Zeitung wertvoller sein als drei Jahre am Campus. Gerade in den Geisteswissenschaften bereiten Studiengänge kaum auf das “echte Leben” vor, weil sie rein theoretisch gestaltet werden.
Besonders dein Gegenüber beim Vorstellungsgespräch weiß das - weil viele ebenfalls aus diesem Grund abgebrochen haben. Wenn du beim Praktikum überzeugst, steigt schließlich auch die Wahrscheinlichkeit, direkt von einem Unternehmen übernommen zu werden.
#5 Quereinsteiger:innen sind gefragter denn je
Ob mit Studienabschluss oder nicht: Arbeitnehmer:innen genießen heutzutage eine bessere Verhandlungsposition beim Vorstellungsgespräch als noch vor etwa 10 Jahren. Das liegt vor allem daran, dass in Österreich der Fachkräftemangel viele Unternehmen in die Verzweiflung treibt.
Die vergebliche Suche führt schließlich auch dazu, dass bisher nicht hinterfragte Anforderungen im akademischen Bereich heruntergeschraubt werden - und der Bewerbungsprozess auch jenen geöffnet wird, die nicht absolviert haben.
An dieser Stelle kommst du ins Spiel, falls du dein Studium abgebrochen hast, aber nach wie vor glaubst, das Rüstzeug für deinen Traumberuf mitzubringen. Unternehmen auf Fachkräftesuche denken oft “Outside the Box” und heißen auch Quereinsteiger:innen willkommen, die vielleicht die ein oder andere Schulung nachholen müssen, aber dafür Innovation und Praxis vorweisen.
Halte nach Branchen Ausschau, in denen der akademische Königsweg heute nicht mehr die gleiche Bedeutung trägt wie früher. Hierzu zählen vor allem technische Berufe im Ingenieursbereich, aber auch die IT-Branche. In Quereinsteiger:innen sehen viele Unternehmen heutzutage außerdem die Chance, frischen Wind in die stickige Luft der vielen verkopften Titelträger:innen ins Büro zu bringen.
Das kann deine Chance sein, über Umwege doch noch in deiner Wunschbranche zu landen.
WIR FASSEN ZUSAMMEN – „trau dich trotzdem!“
Ein Studienabbruch kann viel Leidensdruck verursachen - immerhin platzt dabei nicht selten ein Traum und hält die bittere Realität vor Augen, dass man hinsichtlich des Bildungsweges einen Fehler gemacht hat. Da die Wege zu einer erfüllenden Karriere heute aber immer vielfältiger werden und verästelter werden und „BA“ oder „MSc“ auf der Anschrift zunehmend an Bedeutung verlieren, muss dich dieser Fehler nicht langfristig plagen.
Versuche, mithilfe unserer Argumente aus der Not eine Tugend zu machen und den Abbruch weniger als Misserfolg, sondern als Chance zu betrachten, endlich das angehen zu können, was du wirklich lernen willst. Wahrscheinlich werden es dir auch deine Großeltern sagen: wo sich eine Tür schließt, öffnen sich oftmals gleich zwei neue.
Falls dich selbst diese Weisheit nicht überzeugen kann, solltest du mal einen Blick auf die Wikipedia-Artikel von eindrucksvollen Stars oder erfolgreichen Politiker:innen werfen. Du wirst sehen: viele Menschen, die heute um ihren Erfolg beneidet werden, haben oft nicht nur einen Abbruch im CV vermerkt. Und selbst, wenn die Stellenanzeige deiner Träume ein Studium als Muss ausweist: lass dich nicht einschüchtern und bewirb dich trotzdem, wenn du dich für den Job bereit fühlst. Nicht selten tragen Unternehmen in Jobprofilen zu dick auf und fordern perfekte Kandidat:innen, die es in der Realität gar nicht gibt. Wie so oft gilt daher: wer nichts wagt, der nicht gewinnt.
